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Susns Service Stories (Teil 6) – Die Wahrheit zum Value in Interaction

Ein Beitrag von: Prof. Dr. Susanne Robra-Bissantz
Erst wenn der letzte innerstädtische Einzelhändler geschlossen hat, erst wenn wir unsere Frühstücksbrötchen über Amazon bestellen müssen und erst wenn eines Tages ein Roboter bei uns ans Bett im Seniorenheim tritt um uns neu zu betten und uns danach fragt, wie unser Tag so war… Erst dann werden wir verstehen, dass menschliche Interaktion wertvoll ist.
Wir haben schon vor einiger Zeit als Wirtschaftsinformatiker bemerkt, dass E-Commerce mehr ist, als eine Ware von A nach B zu schicken. Und dass in einer Website eines Unternehmens mehr steckt, als ein zusätzlicher, direkt messbarer Umsatz. Mit der neuen Service Logik konnten wir neulich aufzeigen, dass die digitalen Interaktionen zwischen Unternehmen, Intermediären und ihren Kunden einen ganz eigenen Wert haben. Den Value in Interaction – einen Interaktionswert. Dazu haben wir auch bereits einen ersten Artikel veröffentlicht: er findet sich hier. Und der Value in Interaction findet sich ebenfalls zentral in unserer (angepassten) Service Canvas. Als Gestaltungsbereich, in dem es entsprechend verschiedener Entwicklungslinien gilt, den Kunden beispielsweise über die gesamte Customer Journey von seinem ersten Gefühl, einen Service oder irgendein Produkt zu benötigen, bis zu seiner Problemlösung zu geleiten – und am besten darüber hinaus. Interaktionen sind damit wertvoll für die Dienstleistung, wenn sie nämlich nicht allein aus einer Lebensversicherung besteht, sondern dem Kunden das Gefühl gibt, für sein Alter vorgesorgt zu haben. Geht es dann um die konkrete Dienstleistung, die am Besten zum Kunden passt, dann sind Interaktionen wertvoll, mit welchen dies über eine enge Beobachtung der sich auch manchmal während der Beratung noch wandelnden Kundenbedürfnisse gelingt – wenn Wissen des Kunden integriert und darauf passend reagiert werden kann. Und nicht zuletzt sind Interaktionen wertvoll, weil sie die Beziehung zum Kunden stärken können. Wenn dieser das Gefühl hat, dass er dem Dienstleister vertrauen kann, wenn eine emotionale Bindung entsteht und damit die Verbundenheit, die man ja im CRM anstrebt.
Doch warum ist es noch 2020 so schwer zu vermitteln, wie wichtig die Interaktion zwischen Partnern auf Märkten oder besser: in jeglicher Dienstleistung vom Handel bis hin zu der Pflege eines Bedürftigen ist? Warum kämpfen wir in den Projekten unserer Ausschreibungslinie darum, dass die digitale Vermittlung einer Nachbarschaftshilfe wertvoll ist und irgendwie auch entsprechend entlohnt werden sollte? Warum kämpfen wir darum, dass es eben nicht einfach so kostenlos weiterzugeben ist, wenn wir auf einer digitalen Plattform eine perfekte Lösung eines Kundenproblems über ein spezielles Wearable gefunden haben?
Die Antwort ist: weil wir auch im physischen Raum, im echten Leben, da wo eine Verkäuferin sich stundenlang mit dem Problem eines Kunden beschäftigt, da wo der Pfleger mit einem einfühlsamen Gespräch eine gute Beziehung zu den zu Pflegenden aufbaut oder da wo die Erzieherin genau die richtige Idee hat, wie das Kind sich sinnvoll beschäftigen kann, nicht wirklich bereit sind, dafür zu bezahlen. Weil wir nicht gelernt haben, dass Interaktionen wertvoll sind. Dass Verkaufen nicht darin besteht, eine Ware vom Regal in den Besitz eines Kunden zu übergeben. Dass ein netter Abend im Restaurant nicht allein darin besteht, dass irgendein Essen und Getränke auf dem Tisch stehen. Und dass Pflege nicht darin besteht, jemanden umzubetten oder zu waschen. Weil aber, daraus resultierend, auch der Chef der Verkäuferin sich bei jeder Minute, die diese sich mit dem Kunden beschäftigt, darüber nachdenken muss, ob daraus jetzt wohl rasch ein Verkauf resultiert. Und dann wiederum, weitergehend, der Pfleger bei jedem netten Wort oder bei jedem Lächeln darüber nachdenken muss, ob das noch Raum in der minutengenauen Erfassung seiner Leistung hat.
Der Wert von Interaktionen ist damit in der Diskussion zu digitalen Dienstleistungen nur deshalb so schwer zu vermitteln, weil er auch im echten, physischen Leben nicht ausreichend anerkannt ist. In der Diskussion zur Interaktionsarbeit, eben zu den Berufen, die personennahe Dienstleistungen in Interaktionen mit Kranken, Pflegebedürftigen, zu betreuenden Jugendlichen, Gästen oder Kunden erfüllen, sind die Bereiche, in welchen aus unserer Sicht ein Wert aus Interaktionen entsteht (die Dienstleistung selber, die Anpassung der Dienstleistung komplexe Bedürfnisse und die Beziehung) fast deckungsgleich mit den besonderen und wichtigen Merkmalen der Interaktionsarbeit beschrieben. Interaktionsarbeit ist Kooperationsarbeit, Arbeit mit unvorhersehbaren Anforderungen und Gefühlsarbeit. Und diese Bereiche der Arbeit mit Menschen können nicht mit den herkömmlichen Key Performance Indikatoren, wie dem Umsatz oder Effizienzkriterien gemessen werden. Sondern ihre besondere, menschliche Ausgestaltung ist wichtig. Man spricht dann davon, dass auch Arbeit am Menschen humanisiert werden muss.
Wir werden dieses Problem nun nicht rasch lösen können, denn der Wandel von Kulturen benötigt nicht nur neue Rahmenbedingungen – die sicher nicht in meinem Machtbereich liegen, sondern beispielsweise bei Gewerkschaften sehr gut aufgehoben sind – sondern auch Zeit.
Aus der Wirtschaftsinformatik heraus kann es lediglich unser Auftrag sein, gemeinsam den Wert von Interaktionen immer wieder deutlich zu machen. Und zudem – so zeigt es die letzte Spalte unsere Service Canvas: wir können versuchen digitale Technologien so einzusetzen, dass sie Möglichkeiten und Raum bzw. Zeit für die wesentlichen menschlichen Komponenten der Arbeit in Interaktionen bieten. Beispielsweise bietet heute die digitale Vernetzung in medizinischen Sprechstunden die Möglichkeit, Zeit für Fahrtstrecken zu sparen und vielen Fragenden eine erste und auch gute Auskunft digital zu erteilen. Im Kundenkontakt können soziale Medien es schaffen, erst einmal den richtigen Ansprechpartner zu finden und ein Chatbot kann zunächst erste, wichtige und regelmäßige Informationen des Kunden erhalten. Auch hat die digitale Beratung den Vorteil, dass Wissen über Kunden oder Patienten nicht verloren geht, sondern intelligent ausgewertet werden kann. Und dann wäre es, in einem postdigitalen Sinn, auch schon Zeit, auf die besonderen Merkmale der menschlichen Interaktion zurückzugreifen. Und immer danach zu fragen, ob die gerade zu bewältigende Aufgabe besser über IT oder besser über den Menschen zu erfüllen ist.
Interaktionen sind wertvoll.

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