In ihrer Blogreihe “Susns Service-Storys” stellt Prof. Dr. Robra-Bissantzauf aufregende Art und Weise die Themen der personennahen Dienstleistungsforschung dar. In ihrem letzten Artikel haben Sie erfahren, in welche Bereiche ” Value in Use ” greift und welche Rolle hier der gesellschaftliche Wertewandel spielt. Weiterführend erklärt sie Ihnen nun den Begriff und die Bedeutung der Service-Logik in der heutigen Zeit.
Ok. Der Wert meines Autos ist also nicht mehr mein Auto. Beziehungsweise: es kommt mir nicht darauf an, dass mir ein Auto verkauft wird (value in exchange). Jetzt gerät aber einiges durcheinander. Denn wir haben uns in den letzten vielen, vielen Jahren auf die Logik der Sachgüter (Güter-dominierte-Logik) eingeschossen: Unternehmen produzieren Güter, immer effizienter und industriell, weil eben diese Güter Bedarfe von möglichst vielen Konsumenten decken. Wenn das nicht mehr so ist, dass Güter direkt Bedarfe decken und von Wert sind, was ist dann wichtig, von dem, was Unternehmen tun?
Hm. Anderes Beispiel. Ich habe ja auch ein Fahrrad. Das hat der Sohn der Nachbarin auf einem Flohmarkt entdecke und fachmännisch repariert. Ich wollte ihm gerade Geld für dieses Fahrrad geben, da fiel ihm auf, dass er ja bald Geburtstag hat und ob ich ihm nicht meine berühmte Käse-Lauch-Hacksuppe kochen könnte. Was ist da passiert? Fahrrad gegen Suppe?
Eine neue Logik, die seit einigen Jahren in Konkurrenz zur Güter-dominierten-Logik getreten ist, sieht es so, dass die Suppenköchin und der Fahrradversteher sich gegenseitig Dienste leisten – das heißt, ihre jeweils eigenen Kompetenzen für den Nutzen des anderen einsetzen. Jeder einzelne überlegt für sich, welche Kompetenzen er selber ausprägen möchte. Das ist bei mir sicher nicht Fahrrad reparieren. Aber bei David schon. Und er bietet diese Kompetenz auch anderen an – eben mir. Jeder einzelne überlegt auch, welche Kompetenzen er lieber von jemand anderem in Anspruch nimmt. Das ist bei mir das Fahrrad reparieren und bei David das Suppe kochen. Was damit getauscht wird, sind die Kompetenzen, oder: das Dienstleisten (Service). Denn David verspricht sich aus meinem Suppe kochen (meiner Kompetenz) etwas – eben beispielsweise am Geburtstag schön zu feiern. Es geht also wieder um den Wert ( value in use ) und ich biete David hierzu eine Hilfestellung – ich leiste David aus seiner Perspektive mit meinen Kompetenzen (aus meiner Perspektive) einen Dienst. Entsprechend heißt diese neue Logik Service-(dominierte) Logik oder einfach Service-Logik. Die Bezeichnung Service-dominierte-Logik kommt aus den USA, mit zwei Vertretern, die damit relativ rasch relativ viel Aufsehen erregt haben: Vargo und Lusch. Die Bezeichnung Service-Logik kommt dagegen aus dem nordeuropäischen Raum – sie existiert schon seit den 70er Jahren und wird sehr wesentlich von einem Forscher namens Grönroos vertreten. Wir bleiben beim Begriff Service-Logik.
Diese neue Logik gilt nicht nur für gute Nachbarn, sondern nach Ansicht ihrer Vertreter für jegliches wirtschaftliches Handeln. Auch Unternehmen prägen Kompetenzen aus, die sie anderen Akteuren anbieten. Wie diese genau aussehen, schauen wir später an.
Jedenfalls kommt die Service-Logik mit großartigen Konsequenzen um die Ecke. Denken wir doch einmal daran, wie das traditionell mit der Wertschöpfung ist. WERTSCHÖPFUNG. Werte entstehen. Wie haben wir das in unserer Verankerung in der Güter-dominierten-Logik gelernt? Unternehmen schöpfen Wert – sie beschaffen, produzieren und verkaufen das Produzierte dann für mehr Geld, als sie dafür insgesamt eingesetzt haben. Und Konsumenten konsumieren (vernichten) den Wert. Das ist in der Service-Logik nicht so. Denn sie sieht es so, dass der Endkunde derjenige ist, der für sich einen Wert generiert (value creation). Und jeglicher Anbieter ist dann potenziell der Co-Creator dieses Wertes. Er hilft seiner Kundin dabei, ihren Wert zu kreieren. Wenn man ganz ehrlich ist, trifft das die heutige Welt ganz gut. Denn wer ist denn der aktive Partner, wenn ich als Kundin beispielweise verreisen möchte? Genau in der Situation, in der mein Reisewunsch auftritt, nehme ich mein Smartphone in die Hand und suche Anbieter, die mich in meinem Wunsch unterstützen. Und diese Anbieter bieten mir dann ein Leistungs- oder Wertangebot (value proposition), das ich annehme, oder eben nicht.
Die Kunst des Anbieters besteht damit darin, wertvolle Kompetenzen für jemand anderen (egal ob Mensch oder eine andere Organisation) auszuprägen. Dies wird als value facilitation bezeichnet, die dann in die value proposition für einen Kunden mündet. Damit ist die Service-Logik trotz ihrer starken Ausrichtung auf den Kundenwert doch auch stark ressourcenorientiert. Sie sieht es so, dass ein Unternehmen sich überlegen muss, welche Kompetenzen es ausprägen möchte oder kann – um dann, am besten gemeinsam mit denjenigen, die diese Kompetenzen brauchen können, ein gutes Angebot zu erarbeiten.
Fazit: Die Service-Logik sieht es als Unternehmensaufgabe, den Kunden mit eigenen Kompetenzen einen Dienst zu leisten. Service ist damit der Tausch von Kompetenzen. Und mithilfe der eigenen sowie der Kompetenzen anderer Akteure kreiert der Kunde seinen Wert. Die Endkundin ist kein Wertvernichter, sondern sie ist die eigentliche Wertschöpferin. Und jeder Anbieter kann sich freuen, wenn er zur Co-Creation dieses Wertes von der Kundin ausgewählt wird. Denn es ist eine Kunst, langfristig über die richtigen Kompetenzen zu verfügen, die andere Akteure brauchen – und zudem auch noch gefunden zu werden.